#99 Zuspätkommer! Sag Danke, statt sorry
Du sitzt zuhause auf dem Sofa, blickst auf die Zeiger der Uhr und die Verabredung kommt und kommt nicht. Das Team sitzt im Meeting, doch der Wichtigste fehlt. Der Chef lässt sich Zeit - und verdammt die anderen zum Warten.
Komisch: Zum Flugzeug schaffen es selbst die Unpünktlichsten. Unpünktlichkeit scheint die einzige unsoziale Eigenschaft zu sein, für die sich keiner schämt. Ist man locker und unkompliziert, wenn man Verspätung vorgaukelt? Das ist meine Abrechnung für alle notorischen Zuspätkommer. Ich fühle mich betrogen, denn du klaust mir meine Zeit.
Pünktliche retten deinen Arsch
Das ist meine Abrechnung für alle notorischen Zuspätkommer. Mein Plädoyer für die Wartenden, die im Regen Ausschauhaltenden und der Schon-mal-Ticket-Holenden. Unpünktlichkeit ist nur für dich cool, weil du bestimmst, wann es losgeht? Pünktlich sind nur Loser, die nicht so busy sind wie du? Unpünktlichkeit scheint die einzige unsoziale Eigenschaft zu sein, für die sich keiner schämt. Ist man locker und unkompliziert, wenn man Verspätung vorgaukelt? Ich fühle mich betrogen, denn du klaust mir meine Zeit. Du willst dir nicht deinen Tagesablauf diktieren lassen? Zumindest nicht von mir. Zum Flugzeug schaffen es selbst die Unpünktlichsten. Komisch! Immer dann, wenn nicht du derjenige bist, der die Macht in der Hand hat. Immer dann, wenn eine Verspätung bedeuten würde, dass du warten müsstest: auf den nächsten Flug oder die nächste Jobchance. Und dieses Warten findest du selber doof. Dabei sind die Pünktlichen, die dich regelmäßig retten. Wir halten Plätze frei, wir stellen uns schon mal in der Schlange, wir kaufen Eintrittskarten, bevor es zu spät ist. Die im Regen stehen, für dich, zehn, zwanzig Minuten. Weil wir unsere Zeit lieber teilen, als sie zu klauen. Aber dann sag doch einfach mal nicht sorry, sondern: DANKE.
Pünktliche sind flexibler
Pünktlichkeit ist eine gesellschaftliche Übereinkunft. Es ist unerlässlich, dass sich alle an einen vereinbarten Zeitpunkt halten, um eine geplante gemeinsame Aktivität zu starten. Leider sind nur selten alle pünktlich da. Jedem kann die Bahn vor der Nase wegfahren, das passiert eben. Aber es sind immer dieselben Leute, die immer genau fünf bis zehn Minuten zu spät kommen. Du meinst, die machen das mit Absicht? Forscher haben herausgefunden, dass viele Menschen mit dem Pünktlichsein etwas Unangenehmes und zwar einen Autonomie-Verlust assoziieren. Dieser tritt in dem Moment ein, in dem derjenige eigentlich los müsste. Er fühlt sich durch die Terminvereinbarung eingeschränkt, ähnlich wie in der Kindheit, als es hieß: Um zehn bist du zuhause. Pünktlich zu sein, käme in diesem Fall einer Unterwerfung gleich. Deshalb rebelliert er innerlich dagegen. In diesem Moment kriegt er es einfach nicht hin, alles liegen zu lassen, um bei dem Treffen pünktlich zu sein. So bewahrt er seine Selbstbestimmtheit. Es geht dabei immer um Emotionen, nicht um den Verstand. Der Unpünktliche sagt: Ich muss den Anruf noch machen! Der andere weiß: Wenn ich das tue, komme ich zu spät. Die Pünktlichen sind einfach flexibler, denn sie erleben den Termin nicht als Einschränkung.
Sag nicht sorry, sondern einfach DANKE
Mein Vorschlag: den Zuspätkommer ignorieren und ohne ihn anfangen: einfach reingehen ins Kino oder zu essen beginnen. Das ändert zwar nichts an der Unpünktlichkeit des notorischen Trödlers. Aber zumindest fühlen sich die Pünktlichen dann besser. Was kann man noch tun? Leider muss man darauf vertrauen, dass die Person sein Handeln bei sich selbst als negative Eigenschaft erkennt. Als Außenstehender kann man das nicht ändern. Derjenige muss sich selbst fragen: Warum komme ich immer zu spät? Und dann verstehen: Aha, ich rebelliere gegen eine Vorgabe. Beim nächsten Mal erkennt er diesen Mechanismus vielleicht rechtzeitig und ändert sein Verhalten.