#18 Vor mir ist nichts sicher
Der österreichische Künstler Erwin Wurm hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Skulptur an ihre Grenzen zu führen. Es geht um die grundsätzliche Frage nach dem Wesen von Skulptur. Was kann sie? Ist sie räumlich und materiell begrenzt? Welche Möglichkeiten hat der Betrachter, mit einer Skulptur umzugehen? Sie anschauen und umrunden – das reicht Erwin Wurm nicht. Er schafft eine Parallelwelt, in der das Paradoxe zum Prinzip erhoben wird, Alltagsgegenstände ein alternatives Leben führen und Gegenstände allzu menschliche Schwächen offenbaren.
In seinen "One Minute Sculptures" lädt der Bildhauer die Besucher ein, für 60 Sekunden selbst zur lebenden Skulptur zu werden. Er stellt ihnen im Museum Küppersmühle für Moderne Kunst im Duisburger Innenhafen bis zum 3.9.2017 Requisiten und Handlungsvorschläge bereit und überlässt ihnen die künstlerische Bühne. Diese Einminüter sind Handlungsanweisungen an den Besucher, für eine kurze Zeit ungewohnte Positionen einzunehmen - ein Konzept, an dem Wurm seit rund 20 Jahren arbeitet. Auf Podien oder mit Requisiten lädt er zum Mitmachen ein: Sie klemmen sich Bücher zwischen Beine und Arme, sie drücken einen Edding an die Wand und denken an einen Philosophen und so weiter.
Daneben liegen ausgestopfte T-Shirts und Pullover, sie bilden Oberkörper wie in der klassischen Bildhauerei, ein mit knallroter Strickware umspannter Kleiderschrank steht auf menschlichen Beinen. Wer trägt hier was? Wo ist innen, wo außen?
Die Verwirrung wird zur kreativen Strategie. "Ich finde es spannend, was passiert, wenn man Alltagsgegenständen den Nutzwert entzieht, bekannte Formen neu interpretiert", sagt Wurm im Pressetext zur Ausstellung.
Das 21er Haus in Wien zeigt bis Mitte September Erwin Wurms performative Skulpturen und Plastiken. Ausgangsmaterial ist Ton, entweder zu Architekturmodellen und Objekten des täglichen Gebrauchs modelliert oder in seiner Rohform als Block, den der Künstler mit viel Körpereinsatz deformiert.
Summary
Erwin Wurm coined the term “performative sculptures” - a new form of artistic expession. Born in 1954, Wurm’s latest works on this theme deal with outstanding examples of architecture and everyday objects. As a basis, Wurm uses clay models and blocks that are usually modeled either by him or by people he has instructed. Tension is created in the dialogue between the original form and the traces left by the performative procedures. The exhibition “Erwin Wurm. Performative Skulpturen” in the 21er Haus in Vienna consists of around 40 of these sculptures, some of which were created especially for this exhibition.
As a taster of the exhibition in the 21er Haus, one of the famous "Fat house" of Erwin Wurm was erected on the south side of the Upper Belvedere; it has belonged to the Belvedere's collection since 2016. Inside the corpulent house, a video is projected in which the same swollen and self-reasoning building asks arriving visitors questions such as: "When is a house art and who decides that?"
An oversized boxing glove on a pedestal in front of the Küppersmühle Museum in Duisburg attracts the attention of visitors. But there's a dent at the location of the ring finger. Has a car driven over it? That's the kind of dry humor Austrian sculptor Erwin Wurm brings to his work. Wurm provokes with passion. His sculpture "Anger Bumps" already triggered heated discussion during its construction in Duisburg. The artist was pleased. But that is not the point. Technically, these sculptures are also extremely challenging, Wurm lets us know. "My 'Fat Car' for example: If the craft is not perfect, then it's better not to do it."