ⓦ 299 Mit der Kölner Installatografin Christiane Rath und die temporäre Grabaneignung
Christiane ist eine interessante und vielseitige Künstlerin: Sie arbeitet mit Fotoinstallationen, Kunstaktionen und Eingriffen in den öffentlichen Raum. Fotografie dient ihr als Materialisation ihrer Fantasien.
Wir reden über das Grab von Heinz und Heinzchen und die unbekannte Mutter. Außerdem überrascht sie gern Menschen im öffentlichen Raum und möchte mit inszenierter Fotografie die Welt, widewidewitt wie es ihr gefällt, frei verändern.
Bei ihr soll ein Foto soll nicht einen Text bebildern und ein Bild soll nicht durch einen Text erklärt werden. Entscheidend ist die Begegnung, wenn jeweils ein Bild und ein Text in einen Dialog treten. Klingt abstrakt? Ist es aber nicht :-)
Kapitelmarken zum Podcast
(00:00) Christiane hat das Wort Installatografin erfunden
(02:15) Die Grabaneignung von Heinz und Heinzchen
(09:30) Buchprojekt “Unvergessen”
(14:00) Kapitel: Wo ist Mama?
(20:00) Geschichten für das Kölner Straßenmagazin Draussenseiter
(23:00) Kleinste Veränderungen in Bildern dokumentieren
(25:30) Wohnen im öffentlichen Raum “Urban-Urbar”
(31:30) Treffpunkt WG-Küche an der Frankfurter Hauptwache
(35:00) Fotografie als Materialisation meiner Fantasien
(39:00) Menschennester bieten Geborgenheit und Wärme
(45:00) Was dein Warum, was inspiriert dich?
(50:00) Poetische Begegnung von Bildern und Lyrik in 3D
(1:00:00) Vorbilder Marina Abramović und William Kentridge (s.u.)
(1:08:30) Outtakes und die Verschwörung im Bunker K101
Unvergessen - Eine temporäre Grabaneignung
15 Monate lang habe ich ein fremdes Grab auf dem Südfriedhof gepflegt. Es war sehr verwildert und sprach mich irgendwie an – vielleicht, weil die beiden Beerdigten darin Vater und Sohn Heinz und Heinzchen hießen, vielleicht, weil Heinz am 22.2.1922 geboren wurde oder vielleicht, weil das 3. Kreuz leer blieb … jedenfalls besuchte ich es regelmäßig, säuberte den Grabstein, jätete das Unkraut und brachte hin und wieder ein kleines Pflänzchen hin.
Ich dokumentierte, dachte nach und allmählich wurde aus der Aneignung eine Anverwandlung, Gedanken und Gefühle kamen hinzu und aus all dem entstand in Zusammenarbeit mit der Graphikerin Ines Braun ein besonderes Buch.
Urban-Urbar: Ein Langzeitprojekt zur temporären Umwidmung städtischen Raumes.
Die Urbarmachung öffentlichen Raumes durch privates Wohnen spielt mit den unendlichen Möglichkeiten eines jeden Ortes. Alles kann zu einer beliebigen Zeit an diesem Ort bereits geschehen sein oder noch geschehen.
Wer kennt das Phänomen nicht – in der Küche wird es immer voll! Das kann auch an der Hauptwache so sein. Christiane Rath inszeniert mit ihrer WG-Küche die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum, Sie lädt ein, die Hauptwache aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und Aufenthaltsqualität und –möglichkeiten im öffentlichen Raum weiterzudenken:
Einen „Unort“ bewohnen, öffentlichen Raum für private Situationen transformieren, temporär mit Möglichkeiten einer Möblierung spielen – das ist das künstlerische Konzept von Christiane Rath in ihrer Serie urban-urbar. Mit detailgenauen Einrichtungsgegenständen und Accessoires macht sie sich Stadtraum zu eigen, weckt im Betrachter Assoziationen und Erinnerungen und regt die Passanten an, neue Sichtweisen auf urbane Räume zu entwickeln.
Die Frankfurter Hauptwache ist ein Ort, der viele Möglichkeiten bietet, ihn zu verändern, wohnlicher zu machen, die vorbeieilenden Menschen wärmer zu empfangen. Christiane Rath errichtet dort eine WG-Küche aus den 70er Jahren im Schatten des historischen Gebäudes. Die Frankfurter Bürger*innen sind eingeladen, Platz zu nehmen, Tee zu trinken, die Pinnwand zu beschriften und ins Gespräch zu kommen. Die Künstlerin wird täglich mehrere Stunden anwesend sein.
Statement: Nester sind Behausungen.
Sie dienen den Vögeln zum Schutz für ihr Gelege, zur Brut und Aufzucht des Nachwuchses. Später werden sie verlassen, von manchen Arten aber auch zur nächsten Brut wieder aufgesucht.
Menschennest: Ein Vogelnest in menschlichen Dimensionen ruft den Wunsch nach Geborgenheit und Versorgtwerden hervor. Es erscheint an unwirtlichen und unwirklichen Orten und darf von Besuchern bewohnt werden. Das Nest verkörpert auch für Menschen ein Symbol für Geborgenheit, Kindheit und Beschütztsein. Es bedeutet Wärme und Frieden.
Im Tagebau Hambach haben Aktivisten ihre Nester hoch in die Bäume gebaut. Hier leben sie – zum Teil bereits seit Jahren – um den Hambacher Forst zu schützen, der seinerseits ein Symbol für unvernünftige Energiepolitik und Raubbau an der Natur geworden ist. So schützen diese Menschennester letztlich auch die Menschen, indem sie dazu dienen, den Forst zu retten und auf das Umweltverbrechen der Energiegewinnung aus Braunkohle weltweit aufmerksam zu machen.
„VERSCHWÖRUNG“ IM BUNKER K101 - BEITRAG von Christiane Rath
Verschwörungsmythen und -theorien sind nicht neu. Menschen leugnen die Mondlandung oder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, glauben an Reptiloide oder Chemtrails – und fühlen sich dabei in einem religionsähnlichen Zustand, der sie über Andere, Nichtwissende erhebt.
Seit der Covid19-Pandemie scheinen nun endgültig die Deiche der Vernunft überflutet – zahllose Verschwörungserzählungen verdächtigen Bill Gates, die Menschheit ausrotten zu wollen, Regierungen wird unterstellt, uns mit Chips zu impfen, und am Ende seien die Juden schuld.
Mein Beitrag basiert auf realen Erfahrungen, Recherchen und Dialogen mit Personen, die von solchen Welterklärungsversuchen überzeugt sind. In einer Serie von 21 Kunstplakaten habe ich ihre Thesen karikiert und ad absurdum geführt. Angesichts der Absurdität der realen Ausgangsthesen war das gar nicht so einfach.
Dazu passt mein weekly52 #164 Aus dem Aluhut gezaubert
Kurzvita Dr. Christiane Rath
1962 in Oberhausen geboren, wuchs ich in Düren auf, studierte und promovierte in Romanistik in Bonn und lebe seit 1988 in Köln. Der Fotografie gilt seit meiner Jugend mein zentrales Interesse. Sie ist für mich nicht vorrangig ein Medium zur Dokumentation von Realität, sondern zur Materialisation meiner Fantasien. Daher arbeite ich mit Fotoinstallationen, inszenierter Fotografie, Kunstaktionen und Eingriffen in den öffentlichen Raum. Man könnte mich Installatografin nennen.
Seit 1998 bin ich mit Performances im öffentlichen Raum und Ausstellungen von Fotoarbeiten im In- und Ausland aktiv. Allein oder mit anderen Künstler*innen organisiere ich gesellschaftspolitische Kunstprojekte und kuratiere größere Ausstellungsvorhaben. Ehrenamtlich fotografiere und schreibe ich für das Kölner Straßenmagazin Draussenseiter.
Ausbildung/Werdegang:
Staatsexamen/Promotion Universität Bonn
Begleitende Kurse in Malerei und Fotografie, Studio für Kunsterziehung Universität Bonn
Seit 1998 regelmäßig Ausstellungen Malerei und Fotografie
Seit 2004 Konzentration auf Fotografie und Installationen insbesondere im öffentlichen Raum
Seit 2011 Mitglied: Vorstand Kunstverein 68elf e.V. Köln
Seit 2017 Mitglied: BBK Düsseldorf
Der Blog und Podcast machen mir Spaß und ich freue mich, wenn ich dir jede Woche Freude bereiten und Nutzen vermitteln kann. Vielen Dank für deine Unterstützung.
Heute gibt es Inspirationen, praktische Anleitungen und alles Wissenswerte von der Idee bis zum fertigen Tiny House.