ⓦ 256 Mit Frank Fischer: Community-Projekt 100 ikonische Streetfotografien
Frank stellt sein Projekt vor
Wie heißt es so schön, es wurde bereits alles fotografiert, nur noch nicht von jedem. Frank hat 2020 zu Beginn der Pandemie auf YouTube ein Community-Projekt gestartet. Inspirationsquelle für das Projekt ist das Buch „Street Photography – A History in 100 iconic Images“ von David Gibson. David stellt in seinem Buch 100 aus seiner Sicht herausragende Streetfotos gemeinsam mit einer kleinen Biografie der Fotografen vor. Doch wie kann man aus einem Buch mit 100 Fotos jetzt ein Projekt machen? Meine Idee ist die folgende:
Es finden sich 100 Mitstreiter.
Wir versenden das Buch von einem Fotografen zum nächsten.
Ich pflege bei uns im Blog eine Seite mit den Namen derer, die am Projekt mitwirken und schicke dem aktuellen Fotografen immer die Adressdaten seines Nachfolgers.
Wir nutzen das Buch als Inspirationsquelle fortlaufend,
Jeder Fotograf lässt sich von dem Fotografen und dem Foto, welches er aufgrund der Reihenfolge und der Tabelle im Blog auslesen kann, inspirieren.
Im Idealfall macht sich der Fotograf von der Doppelseite, die er bearbeitet eine Arbeitskopie.
Der Fotograf, der dran ist, darf und soll auf „seiner“ Doppelseite auch im Buch Notizen machen!
Jeder Fotograf macht also im Stile und unter Berücksichtigung des ikonischen Fotos seiner Doppelseite ein Foto.
Bei diesem Foto versucht er dem Original nahe zu kommen, ohne dieses zu kopieren.
Bei diesem Foto lässt der Fotograf seine Kreativität fließen.
Bei diesem Foto arbeitet der Fotograf ab dem Zeitpunkt, wo das Buch bei ihm ist intensiv am Thema Streetfotografie, am Portfolio „seines ikonischen Fotografen“ aus dem Buch und vor allem am Bildergebnis seines Fotos.
Das finale, an der Vorlage orientierte und angefertigte Foto, schickt der Fotograf spätestens 14 Tage nachdem er das Buch erhalten hat an mich. Dazu schreibt er seine Gedanken, Learnings und die Dinge die ihm bei seinem Vorbild aus dem Buch inspiriert haben auf. Die Fotografen selber können sich bei den Artikeln gern selber auch kurz vorstellen und auf ihr Portfolio im Web hinweisen.
Dieses Bild und den Text veröffentlichen wir im Blogartikel.
Am Ende des Projektes, idealerweise in ca. 2 Jahren (100 Fotos in 100 Wochen), haben wir eine Sammlung an 100 Fotos, die durch andere berühmte Streetfotografen inspiriert wurden.
Am Ende des Projekts lassen wir aus den Fotos ein Fotobuch drucken.
Zudem versuchen wir, ggf. über ein Crowdfunding Projekt eine Auflage des Buches zu realisieren.
Habe ich Dein Interesse geweckt? Dann schicke mir eine Mail, wenn Du wirklich ernsthaft, engagiert und motiviert mitmachen möchtest, an: 100@ff-fotoschule.de
Kapitelmarken zum Podcast
(00:00) Community-Projekt 100 ikonische Streetfotos
(04:30) Warum ausgerechnet Streetfotografie?
(07:00) Buch als Ideenvorlage
(09:00) Fertiges Buch soll gedruckt werden
(10:45) Abmahnung wegen Copyright
(16:00) Rebecca Norris Webb "Blue Secondhand Prom Dress"
(20:30) Warum hängt das Kleid draußen?
(21:30) Entwicklung der Grundidee
(22:45) Mein "männliches" Bild
(25:00) Botschaft und Lyrik des Bildes aufgreifen
(28:30) Kopie von Thomas Leuthard "Hitchcock"
(32:00) Wie hätte Frank es gemacht?
(35:00) Gute Übung für die eigene Entwicklung
(37:50) Frank füllt seinen Reiseakku auf
Mein Foto von Rebecca Norris Webb - Seite 204-205
Rebecca Norris Webb: "Blue Secondhand Prom Dress"
Es ist ein “schönes” Bild: man sieht gesprenkeltes Sonnenlicht darauf, ein amerikanisches Haus, Blumen in einem Blumenkasten, die rot-braune Holzfassade, ein weißer Lattenzaun, blauer Himmel und ein lässig aufgehängtes blaues Ballkleid, es bewegt sich sanft in der Brise, vermutlich trocken. Ein Windstoß verkörperte das Kleid, so schwankte es, geisterhaft, wie auf einer Tanzfläche.
Wartet das Kleid auf einen Partner?
Es sind keine Menschen zu sehen, aber wir stellen uns das so vor. Sobald die Sonne untergeht, wird jemand nach dem Kleid sehen. Vielleicht wird es ein junges Mädchen - vielleicht ist der Abschlussball an diesem Abend. Vielleicht ist das Kleid ein Familien-Erbstück.
Zum Hintergrund: Dem Künstlerpaar Webb ging es um die Symbiose, den Genuss von Bilder anschauen und hineingezogen werden durch seine poetische Worte. Sie sind miteinander verwoben schaffen ein tiefes melodiöses Ganzes. Beide wie satte Farben, aber dennoch klare Trennungen zwischen ihrer Kunst. Poesie, Literatur, Erinnerungen, unausgesprochene Gefühle und vor allem Landschaft prägen ihre gemeinsame Arbeit.
Alex Webb, der wahrscheinlich noch berühmtere Fotograf und Ehemann von Rebecca Norris Webb, beschäftigte sich mit den Auswirkungen des Niedergangs von Kodak auf die Stadt Rochester. Es ist eine Lobrede auf einen fotografischen Film und eine Stadt, aber dieses Foto geht darüber hinaus. Es ist ein Foto der Hoffnung; das blaue Abschlussballkleid ist für die Zukunft.
Meine Interpretation und Bildidee
Ein Haus in einer US Vorstadt, eine Veranda, rostrote (schwedenrot) Fassade mit Holztäfelung, auf der sich das Schattenspiel eines Baumes mit Blättern abzeichnet, ein blaues Ballkleid am Plastikkleiderhaken an einem Haken am Holzpfosten. Es ist kein Mensch zu sehen.
Das Kleid am Haken baumelt im Wind, links im Bild ein Fenster mit Baumreflektion bzw. gesprenkeltes Sonnenlicht darauf und blühende Narzissen in einem Blumenkasten vor dem waagegerecht-2-geteiltem Schiebe-Fenster, ein Aufgang zum Haus, die Hausnummer 792 mit schwarzen Lettern senkrecht am weißen Holzträger, der den Treppenaufgang begrenzt. rechts noch ein weißer Lattenzaum mit senkrechten Latten, vorn noch ein Busch und rechts die Straße mit einem weiteren angedeutetem Haus und einem Stück blauem Himmel.
Ein weibliches Bild
Für mich ist es ein "weibliches" Bild. Das Kleid am Kleiderhaken der Veranda als Hauptmotiv in der Bildmitte ist hellblau, verspielt, baumelt locker im Wind. Es spiegelt Freude, es ist häuslich, in vertrauter Umgebung, gibt Sicherheit und Zuversicht. Es ist ein Blickfang, schwankend, geisterhaft, vom Windstoß belüftet, fast schon verkörpert.
Ich frage mich, warum hängt es draußen? Ich hänge Sachen raus, wenn sie auslüften sollen (vom Rauch, vom Essen …), ich denke es ist der Tag danach. So kam ich auf die Idee, zur weiblichen Vorlage das männliche Pedant zu kreieren.
Meine Idee der Widersprüche
Ich wollte die Botschaft und Lyrik des Bildes aufgreifen, aber das Gegenteil von Allem erzeugen. Ich habe statt des Kleids eine dreckige Blaumann-Jacke gewählt. Anstelle der Hoffnung und des Traums wollte ich die Tristesse und harte Realität im Bild umsetzen. Ich wollte dem Bild alle Leichtigkeit nehmen. Statt Frühling ist es Winter, statt weißer zeige ich schwarze Rahmen. Es ist wüst, dreckig mit vielleicht nur einem kleinen Idyll in Form einer roten Schaukel im Hintergrund. Mein Blickwinkel wechselt Frontseite in den Hinterhof des Lebens. Das Spiel mit dem Sonnenlicht wechselt zum Grau der Schattenseite. Es ist die Jacke einen Mannes, der seine Arbeit verrichtet, die getan werden muss und vielleicht auf der Suche nach Anerkennung ist, aber sie nicht bekommt?
Vom Schaufenster zum Hinterhof des Lebens
Bildaufbau
Mein Bildaufbau sollte der Vorlage ähneln. Aber wie fange ich die Böe ein, die das Kleidungsstück verkörpert und mit Leben füllt? Es war ein Tanz mit der Jacke im Wind. Die Position der blauen Jacke muss auch zentral sein, ein Windstoß soll die Jacke auch in die linke Richtung wehen lassen. Der Look mit dem groben Korn sollte übereinstimmen. So habe ich versucht die entschiedenen "männlichen" Bildelemente nachzubauen. Beim direkten Vergleich der beiden Bilder wollte ich eine Wiedererkennbarkeit erreichen.
Insgesamt habe ich 120 Bilder geschossen. Mit der Hose, wechselnde Perspektiven, Lichteinfälle und Ausschnitte. Es ging um den für mich richtigen Ort, die Bildelemente, den Aufbau, das Licht und für den Look um die Bearbeitung in Lightroom. Die Auswahl treffen war ein langer Prozess, die Bearbeitung aber relativ leicht.
Belichtung +1
Lichter und Temperatur +2
grobes Korn / Körnung 50
Kodachrome Film Look für blassere Farben
Original Hitchcock von Thomas Leuthard und “Fälschung” von mir
Hier könnt ihr weekly52 folgen
Der Blog und Podcast machen mir Spaß und ich freue mich, wenn ich dir jede Woche Freude bereiten und Nutzen vermitteln kann. Vielen Dank für deine Unterstützung.
Der Virtuelle Bilderabend gibt Fotografen:innen die Möglichkeit, ihre Fotos in kleinen Vorträgen der Öffentlichkeit zu präsentieren.