ⓦ 75 Herz-Zer-Reißende Gänsehäute: Anton Corbijn und Joy Division
Dieses Cover von Joy Division Closer ist Bestandteil der Anton Corbijn Serie "Cemeteries" aus den frühen 80ern. Das Thema: ausnahmsweise keine Menschen, sondern Grabmäler aus ganz Europa.
Der Niederländer fotografiert seit 30 Jahren die Großen des Showgeschäfts. Seine Aufnahmen zieren die Plattenhüllen der Mega-Bands und hängen längst auch in Museen. Ursprünglich war ihm die Fotografie nur Mittel, sich mit gutem Grund in der Welt der Musik bewegen zu können, den Musikern nahe sein.
Ikonische Porträts in schwarz-weiß
Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg widmet dem niederländischen Fotografen bis zum 6.1.2019 im Rahmen der Triennale der Photographie eine eigene Schau:
"Anton Corbijn. The Living and the Dead". Gezeigt werden rund 120 Werke, darunter bisher unveröffentlichte Fotografien, freie Arbeiten und natürlich viele bekannte Gesichter aus dem Musikgeschäft. Berühmt wurde Corbijn als Fotograf von Musikern und Bands wie Joy Division, Depeche Mode, U2, Tom Waits, Herbert Grönemeyer und R.E.M. Corbijns Markenzeichen sind seine dunklen, körnigen, atmosphärisch dichten schwarz-weiß Bilder. Damit hat er das Image der Bands seit der 1980er entscheidend geprägt. Dass viele seiner Porträts Schwarzweißfotos sind, liege vor allem daran, dass er sich als junger, noch unbekannter Fotograf das Farbfilmmaterial und die Entwicklungskosten gar nicht habe leisten können. Später, als das Geld dafür da war, machte er einfach in schwarz-weiß und mit analogen Kameras weiter.
Gefälschte Gesichter: A. Somebody
21 Schwarz-Weiß-Selbstporträts zeigen Anton Corbijn in den Rollen und in der Maske seiner verstorben Rockstars – darunter John Lennon, Frank Zappa und Kurt Cobain, Bob Marley, Jimi Hendrix, Freddy Mercury, Sid Vicious oder Janis Joplin. Dabei wurde er von der Maskenbildnerin (seine Schwester) so überzeugend unterstützt, daß man ihn oft nicht einmal mehr als Andeutung in den Figuren erkennt. Jedes Mal ein berühmtes, gefälschtes Gesicht, fast wie Passbilder und in den meisten Fällen derselbe nachdenkliche Blick. Corbijn inszeniert in seinem Maskenspiel Momente von verwirrender Banalität und bemerkenswerter Suggestionskraft zugleich. Der Fotograf hat die Bilder in seiner Heimat inszeniert und so zwei gegensätzliche Welten zusammengebracht, die für seine Jugend und seinen Werdegang bestimmend waren: Einerseits das Dorfleben in Strijen bei Rotterdam als Sohn eines Pastors, für den das Leben nach dem Tod "eine Obsession“ war. Andererseits die Glamourwelt der Rockstars, die der junge Anton aus dem Radio kannte und die in seiner Vorstellung ein Leben in Freiheit genossen. Eine Welt, zu der er gehören wollte.
Anfälle von Genie - Joy-Division-Film "Control"
Herz-Zer-Reißend! Es ist die Lebensgeschichte von Ian Curtis, Sänger der Band “Joy Division”, der sich 1980 selbst tötete. Der Film von Anton Corbijn beruht auf dem Buch “Touching From A Distance”, das Ians Ehefrau Deborah nach seinem Tod über ihn schrieb. Ian Curtis ist 19 Jahre alt, als er Debbie kennenlernt. Wenig später sind sie verheiratet und bekommen eine Tochter. Curtis stößt als Sänger zu der Band “Joy Division”, die er mit seiner markant-unheilvollen Stimme und seinem düsteren Charisma schnell zum Geheimtipp macht. Doch er kommt mit der Aussicht auf schnellen Ruhm nicht zurecht. Eine Affäre mit der Journalistin Annik beschleunigt das Ende seiner Ehe und verstärkt seine Schuldgefühle. Epileptische Anfälle und eine schwere Depression lassen Curtis’ Abstieg in seine persönliche Hölle eskalieren. Am Tag vor der ersten Amerika-Tournee fasst er einen folgenschweren Entschluss.
Corbijn führte Regie bei zahlreichen Musikvideos. Für das Video zu Heart Shaped Box der US-amerikanischen Rockband Nirvana erhielt er 1994 einen MTV-Award. Mit den Bands Depeche Mode und U2 ist Corbijn eng verbunden. Beide Bands begleitet er bereits seit vielen Jahren als Art Director. Ich musste bei der Recherche richtig schmunzeln. Coldplay hat 2008 zu Ehren von Anton Corbijn und Depeche Mode ein zweites Video zu "Viva la Vida" gedreht. Das Musikvideo ist eine Hommage an das Musikvideo "Enjoy the Silence" aus dem Jahre 1990. Beide Sänger Chris Martin und Dave Gahan treten im gleichen hermelinartigen Königsmantel durch die Szene.
Hier eine fast vollständige Liste aller Musikvideos
„Hockey“ – Palais Schaumburg (1983)
„Beat Box“ – Art of Noise (1984)
„Dr. Mabuse“ – Propaganda (1984)
„Red Guitar“ – David Sylvian (1984)
„Seven Seas“ – Echo & the Bunnymen (1984)
„The Ink in the Well“ – David Sylvian (1984)
„Pride (In the Name of Love)“ (dritte Version) – U2 (1984)
„Bring on the Dancing Horses“ – Echo & the Bunnymen (1985)
„Quiet Eyes“ – Golden Earring (1986)
„A Question of Time“ – Depeche Mode (1986)
„Bedbugs and Ballyhoo“ – Echo & the Bunnymen (1987)
„Strangelove“ – Depeche Mode (1987)
„Pimpf“ – Depeche Mode (1987)
„The Game“ – Echo & the Bunnymen (1987)
„Never Let Me Down Again“ – Depeche Mode (1987)
„Lips Like Sugar“ (erste Version) – Echo & the Bunnymen (1987)
„Behind the Wheel“ – Depeche Mode (1987)
„Welcome to Paradise“ – Front 242
„My Secret Place“ – Joni Mitchell & Peter Gabriel (1988)
„Blueprint“ – Rainbirds (1988)
„Atmosphere“ – Joy Division (1988)
„Headhunter“ – Front 242 (1988)
„Faith and Healing“ – Ian McCulloch (1989)
„Sea of Time“ – Rainbirds (1989)
„White City of Light“ – Rainbirds (1989)
„Personal Jesus“ – Depeche Mode (1989)
„Killer Wolf“ – Danzig (1990)
„Enjoy the Silence“ (erste Version) – Depeche Mode (1990)
„Policy of Truth“ – Depeche Mode (1990)
„World in My Eyes“ – Depeche Mode (1990)
„May This Be Your Last Sorrow“ – Banderas (1990)
„Clean“ – Depeche Mode (1991)
„Marie“ – Herbert Grönemeyer (1991)
„Two Faces“ – Rainbirds (1991)
„Tragedy (For You)“ – Front 242 (1991)
„Halo“ – Depeche Mode (1991)
„Front by Front“ – Front 242 (1992)
„Hail Hail Rock 'n' Roll“ – Garland Jeffreys (1992)
„Lover Lover Lover“ – Ian McCulloch (1992)
„One“ (Originalversion) – U2 (1992)
„Straight to You“ – Nick Cave and the Bad Seeds (1992)
„Dirty Black Summer“ – Danzig (1992)
„Do I Have to Say the Words?“ – Bryan Adams (1992)
„I Feel You“ – Depeche Mode (1993)
„Walking in My Shoes“ – Depeche Mode (1993)
„Condemnation“ (erste Version) – Depeche Mode (1993)
„Heart-Shaped Box“ – Nirvana (1993), MTV Video Music Award als „Best Alternative Video“
„Delia's Gone“ – Johnny Cash (1994)
„Mockingbirds“ – Grant Lee Buffalo (1994)
„In Your Room“ – Depeche Mode (1994)
„Liar“ – Henry Rollins (1994)
„Love & Tears“ – Naomi Campbell (1994)
„Have You Ever Really Loved A Woman?“ – Bryan Adams (1995)
„My Friends“ (erste Version) – Red Hot Chili Peppers (1995)
„Hero of the Day“ – Metallica (1996)
„Mama Said“ – Metallica (1996)
„Barrel of a Gun“ – Depeche Mode (1997)
„It's No Good“ – Depeche Mode (1997)
„Useless“ – Depeche Mode (1997)
„Please“ (erste Version) – U2 (1997)
„Bleibt alles anders“ – Herbert Grönemeyer (1998)
„Fanatisch“ – Herbert Grönemeyer (1998)
„Goddess on a Hiway“ – (second version), Mercury Rev (1998)
„Salvation“ – Roxette (1999)
„Opus 40“ (erste Version) – Mercury Rev (1999)
„Stars“ – Roxette (1999)
„Chemical“ (erste Version) – Joseph Arthur (2000)
„In the Sun“ – Joseph Arthur (2000)
„Invalid Litter Dept.“ – At the Drive-In (2001)
„Freelove“ (zweite Version) – Depeche Mode (2001)
„Mensch“ – Herbert Grönemeyer (2002)
„Electrical Storm“ – U2 (2002)
„Re-Offender“ – Travis (2003)
„Zum Meer“ – Herbert Grönemeyer (2003)
„All These Things That I've Done“ (zweite Version) – The Killers (2005)
„Talk“ – Coldplay (2005)
„Suffer Well“ – Depeche Mode (2006)
„Viva la Vida“ (zweite Version) – Coldplay (2008)
„Should Be Higher“ – Depeche Mode (2013)
„Reflektor“ – Arcade Fire (2013)
„Where’s the Revolution“ – Depeche Mode (2017)